Umbrüche

Ab 1949 bestimmte die National Party die Geschicke des Landes bis 1984 – abgesehen von zwei dreijährigen Unterbrechungen. Außenpolitisch orientierte sich Neuseeland nach der Unabhängigkeit von Großbritannien stärker an den USA, an deren Seite man sich auch in diversen Kriegen engagierte, um die befürchtete Ausbreitung des Kommunismus vor allem in Asien zu verhindern. Auch im Land selber wuchsen nach dem Ende des zweiten Weltkriegs die Befürchtungen vor einer weiteren Verbreitung des Kommunismus. Erst mit dem Beginn einer strikten Antinuklearpolitik ab den 1980er Jahren wurde diese enge Verbindung zugunsten einer stärker auf die UN ausgerichteten Außenpolitik gelockert.

Bereits seit Beginn des zweiten Weltkriegs zog es Maori verstärkt in die Städte: 1936 lebte gut ein Zehntel aller Maori in Städten, zehn Jahre später waren es bereits über ein Viertel, am Ende des Jahrhunderts schließlich über 80%. Gründe für diese Entwicklung lagen zum einen darin, dass die von Maori unterhaltenen landwirtschaftlichen Betriebe keine ausreichende Lebensgrundlage mehr boten, zum anderen darin, dass zu Zeiten des Wohlstands gut bezahlte Jobs auch ohne besondere Qualifikation zu haben waren. Für Maori bedeutete dies den Verlust der sozialen und kulturellen Bindung an ihren Stamm und gleichzeitig die Gewöhnung an Löhne, Mieten und viele andere Selbstverständlichkeiten der Pakeha-Kultur. Da weder Maori noch Pakeha gemischte Wohnviertel befürworteten, entstanden in den großen Städten Ghettos, besonders nachdem ab den 1960er Jahren die Arbeitslosigkeit zunahm, die besonders stark die ungelernten und einfacheren Tätigkeiten betraf, in denen die Mehrzahl der Maori beschäftigt war.

Garant für einen der höchsten Lebensstandards der Welt war bis dahin die gut funktionierende Landwirtschaft. Daher bestand auch keine Notwendigkeit, den für die Mehrheit der Bevölkerung gut funktionierenden Wohlfahrtsstaat anzutasten. Ab den 1970er Jahren wurde jedoch deutlich, dass man auf Kosten der Natur lebte: Der massive Einsatz von Dünger, der nötig wurde, um die ausgelaugten Böden fruchtbar zu halten, belastete das Land über die Maßen, was sich u.a. an Pestiziden in Lebensmitteln, Belastungen von Gewässern durch die von Nutzvieh erzeugten organischen Abfälle und zunehmender Erosion des Landes zeigte. Politikern und der breiten Öffentlichkeit wurde diese Problematik bewusst, als der Lake Manapouri zur Erhöhung der Leistung eines Wasserkraftwerks so weit angestaut werden sollte, dass sein ökologisches Gleichgewicht zerstört worden wäre. Die zur Rettung des Sees gegründete Kampagne erreichte eine breite Zustimmung und trug dazu bei, dass die Natur nicht mehr nur als Rohstofflieferant, sondern auch als ein erhaltenswertes Gut angesehen wurde. In der Folge wurden die letzten Kauriwälder im Norden sowie Buchenwälder auf der Südinsel unter Schutz gestellt.

Nicht zuletzt durch den Beitritt Großbritanniens zur damaligen EG und die Ölkrise stand Neuseeland nun vor massiven wirtschaftlichen Problemen, die der von 1975 bis 1984 regierende Premier- und Finanzminister Robert Muldoon durch ebenso massive Eingriffe des Staats in die Wirtschaft lösen wollte. Im Rahmen seiner »Think Big«-Strategie wurde versucht, durch Großprojekte die Arbeitslosigkeit einzudämmen und gleichzeitig Neuseeland unabhängig von fremden Energiequellen zu machen. Außerdem wurden zeitweise Löhne und Preise eingefroren sowie Mieten und Dividenden staatlicher Kontrolle unterworfen.

Nachdem die National Party unter Muldoon schon 1978 und 1981 weniger Stimmen als Labour erhalten hatte und nur dank des Mehrheitswahlrechts die Regierung stellen konnte, gewann Labour 1984 deutlich. Überraschend – auch für zahlreiche Mitglieder und vor allem viele Wähler der Partei – war der vor allem von Finanzminister Roger Douglas vertretene neue Kurs, der Neuseeland weltweit zu einem Vorreiter in Sachen Deregulierung und Privatisierung machte. So wurden einige Staatsunternehmen verpflichtet, gewinnorientiert zu arbeiten, andere wie die Telefongesellschaft und die Postbank verkauft; Agrarsubventionen wurden gestrichen und die Steuern neu geregelt. Als Folge der »Rogernomics« gingen die Inflation und die Staatsverschuldung zurück, während die Wirtschaft wuchs.

Als nach einem Börsencrash zahlreiche Firmen in Konkurs gingen und viele Kleinanleger ihr Geld verloren hatten, schwand das Vertrauen nicht nur der Bürger, sondern auch des Premierministers David Lange in die eigene Politik. In einem parteiinternen Streit um eine Verlangsamung der Reformen unterlag er Douglas und musste seinen Hut nehmen. 1990 kam nun wieder National unter Führung von Jim Bolger an die Macht. Im Rahmen der nach der Finanzministerin Ruth Richardson benannten »Ruthanasia« wurden mit dem Abbau des Wohlfahrtsstaats die Reformen in unvermindertem Tempo fortgesetzt, bis bei den Wahlen von 1993 National eine Mehrheit von nur noch einem Sitz im Parlament besaß. 1996 wurde erstmals nach dem MMP-System (Mixed Member Proportional representation) gewählt, einer Mischung aus Persönlichkeits- und Verhältniswahl wie in Deutschland, so dass seitdem Koalitionen aus mehreren Parteien an der Tagesordnung sind.